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Partner in der Krise: Was die Zusammenarbeit von PR und Journalismus besser macht

Journalisten warten auf den Beginn eines Pressetermins.

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Pressestellen blasen Belanglosigkeiten zu Sensationen auf und verkaufen noch die schlimmsten Neuigkeiten als Erfolg. Medien wiederum suchen immer nach dem Haar in der Suppe, weil nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind. Sind das nur Plattitüden mit Blick auf das Verhältnis von Public Relations und Presse? Oder steckt in den Klischees mehr als nur ein wahrer Kern? Zwei jüngere Studien aus der Medienbranche zeigen, was in der Beziehung zwischen PR und Journalismus schief läuft – und wie die Zusammenarbeit besser werden kann.

Unterschiedliche Sicht auf das Verhältnis von Public Relations und Presse

Im Idealfall sollten PR-Verantwortliche auf der einen sowie Journalistinnen und Journalisten auf der anderen Seite ein gemeinsames Ziel haben: eine lohnende Geschichte für die Menschen zu erzählen, die sie lesen, hören oder sehen. Allerdings geht die Einschätzung, was denn eine Geschichte gut macht, sehr häufig auseinander.

Und so fällt auch die Sicht auf das Verhältnis zur jeweils anderen Seite ganz unterschiedlich aus: In der jüngsten Berufsfeldstudie 2021 des Bundesverbands der Kommunikatoren (BdKom) beschreiben 86 Prozent der dazu befragten PR-Leute ihr Verhältnis zu Journalisten als „alles in allem“ gut. Die Gegenseite ist da erheblich kritischer: In der jüngsten „State of the Media“-Umfrage (SotM) von Cision sagen nicht einmal die Hälfte (48%) der befragten Journalisten, dass sie die Zusammenarbeit mit PR-Profis zufrieden stellt. Der internationale Media-Dienstleister hat im Frühjahr 2021 rund 2700 Medienschaffende in 15 Ländern befragt. Von den 223 Befragten in Deutschland sind sogar nur knapp 44 Prozent zufrieden mit der Zusammenarbeit.

Es darf dabei unterstellt werden, dass die PR-Leute ihr Verhältnis zu Journalisten in der Tendenz eher positiv einschätzen. Schließlich ist die Pflege guter Kontakte zu den Medien ein traditionelles Kernelement ihres Jobs. Umgekehrt dürften Journalisten das Verhältnis eher negativer beschreiben, meint der BdKom, da „wohlwollende Beurteilungen unter Journalisten nicht gerade als (sozial) erwünscht gelten“. Der Verband hat ebenfalls im Frühjahr 2021 insgesamt knapp 30.000 PR-Aktive befragt.

Was PR-Leute und Journalisten aneinander kritisieren

Kritik am jeweils anderen haben beide Seiten nicht zu knapp: „Journalisten sind zu oft wenig über die Themen informiert, über die sie berichten“, sagen 42 Prozent der Teilnehmenden, die der BdKom zu ihrem Verhältnis zu Journalisten befragte. Etwa jeder Dritte bemängelt, dass Journalisten zur Skandalisierung neigen. Insbesondere die in öffentlichen und staatlichen Einrichtungen beschäftigten PR-Leute sehen demnach sich oder ihre Organisation „vergleichsweise häufig durch journalistische Skandalisierungstendenzen gefährdet“.

29 Prozent werfen Journalisten vor, oft ungenau und oberflächlich zu arbeiten. So entstünden Fehler in der Berichterstattung. Und immerhin noch 16 Prozent sagen, dass ihnen Journalisten häufig voreingenommen gegenübertreten.

Die so Gescholtenen schauen einerseits durchaus selbstkritisch auf ihren Berufsstand: So beklagen einzelne Teilnehmende laut dem SotM-Report unter anderem den Verfall journalistischer Grundsätze, die mangelnde Kritik gegenüber der Politik, „Haltungsjournalismus“ statt Faktenbasiertheit, Polemik und Einmeinungs-Verbreitung statt ausgewogener Information.

Redaktionen werden mit Anfragen aus Pressestellen überschwemmt

Mit Blick auf die PR beschweren sie sich andererseits darüber, dass sie mit Anfragen aus Pressestellen überschwemmt werden, die sie überhaupt nicht interessieren. „Journalisten sind von Anfragen sowohl überwältigt als auch unbeeindruckt“, stellt der Report fest. „Fast 3 von 10 Journalisten erhalten mehr als 100 Anfragen pro Woche, von denen die meisten aufgrund ihrer Irrelevanz im virtuellen Papierkorb landen.“ Ein Umfrage-Teilnehmer bringt seinen Ärger so auf den Punkt: „Neunundneunzig Prozent derjenigen, die mir E-Mails schicken, haben noch nie einen von mir verfassten Beitrag gelesen. Ich erwarte nicht, dass jeder einzelne Themenvorschlag relevant ist, aber wenn Sie keine Ahnung von meinem Thema haben, spammen Sie mich nur zu.” Jemand anderes kritisiert: „Ich erinnere mich nicht an EINEN ungewöhnlichen Themenvorschlag, sondern immer nur daran, dass PR-Schaffende Werbung redaktionell unterbringen wollen. Und das funktioniert nicht.” Damit stehlen Pressesprecher und PR-Agenturmitarbeitende den Journalisten wertvolle Zeit, urteilt die Studie.

Wer zu oft und zur falschen Zeit nachfasst, wird blockiert

Gesteigert wird der Ärger noch, wenn sich Pressestellen melden und fragen, ob ihre Mitteilung denn auch angekommen und wann bitteschön mit einer Veröffentlichung zu rechnen sei. „Ein Nachfassen am selben Tag, während der Zeiten, zu denen Journalistinnen und Journalisten ihre Beiträge verfassen, oder zum wiederholten Mal kann dazu führen, dass keine Berichterstattung erfolgt und spätere Anfragen keine Beachtung finden.“

Journalismus und Public Relations/Kommunikation seien wesentliche Partner bei der öffentlichen Meinungsbildung und der Information über und für die Gesellschaft, ist der Verband BdKom sicher. Sie stellten in dieser Hinsicht auch heute noch eine essentielle „Seilschaft“ zweier verwandter Berufsfelder dar. Doch die „Seilschaft“ kann sich bei gemeinsamen Bergtouren schon einmal gehörig auf die Nerven gehen. Der Media-Dienstleister Cision jedenfalls mahnt aufgrund seiner Ergebnisse: „Ganz offensichtlich besteht in der Beziehung zwischen Journalisten und PR-Profis genügend Raum zur Verbesserung.“ Aber wie kann sie erreicht werden?

Keine Zeit zum Atemholen: Erst kam Corona – und dann der Krieg

Zunächst einmal hilft ein Blick auf die aktuellen Arbeitsbedingungen. In beiden Studien sind die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie, denen sich die Aktiven in Kommunikation und Medien zu stellen hatten, sehr deutlich spürbar. Grundsätzlich gilt, dass in Krisen der Informationsbedarf und damit auch die Bedeutung professioneller Kommunikation wachsen, wie auch der Verband betont. Denn die Pandemie mit allen ihren weitreichenden Folgen will verständlich erklärt werden. Im Homeoffice sind die Kontaktmöglichkeiten aber stark eingeschränkt.

Corona setzte den Journalismus in einer ohnehin wirtschaftlich angespannten Zeit weiter unter Druck: Vor allem sinkende Werbeeinnahmen und Auflagenzahlen empfinden die Befragten als größte Herausforderung für ihre Profession, wie der StoM-Report zeigt. Weitere Herausforderungen seien Personalbestand und Ressourcen sowie die anhaltende Diskussion über Fake News. Noch hinzu kommt zum Beispiel, dass viele Befragte ermüdet von der Berichterstattung über das Dauerthema Covid-19 sind.

Doch Gelegenheit zum Atemholen bietet sich nicht: Zum Zeitpunkt der Umfragen war der von Präsident Wladimir Putin angeordnete Angriff der russischen Armee auf die Ukraine noch weit entfernt. Seit dem 24. Februar 2022 hat dieser Krieg Corona als Top-Thema verdrängt. Der Stress dürfte damit noch einmal zugenommen haben.

Grafik: Die größte Herausforderung für den Journalismus

 

Sieben Stellschrauben für eine erfolgreiche Medienansprache

Mit dem Wissen um die angespannten Arbeitsbedingungen im Journalismus dürfte das Verständnis der PR-Schaffenden weiter steigen, heißt es in der Cision-Studie. „Wenn damit die Qualität der Themenvorschläge steigt, wäre beiden Seiten geholfen.“ Wie also können PR-Profis erfolgreicher bei der Medienansprache werden?

Hier sind die wichtigsten Stellschrauben, an denen sie drehen können:

  • Das Thema sorgfältig auswählen. Relevanz ist ein wesentlicher Faktor: Wie viele Menschen sind betroffen? Gibt es einen Mehrwert, etwa eine innovative Lösung für ein drängendes Problem? Aktualität spielt ebenfalls eine große Rolle. Denn Nachrichten sind Neuigkeiten. Wenn ein Aufhänger fehlt, lässt sich ein Anlass inszenieren. Beim Projektstart eine Studie vorzulegen unterstreicht die Bedeutung eines Themas, und eine coole Auftaktveranstaltung liefert die Bilder dazu. Nur darf das Drumherum nicht die eigentliche Botschaft überlagern. Und wer von der Tragfähigkeit eines Themas nicht überzeugt ist – lässt es besser bleiben. Dazu gehört auch, in der eigenen Organisation Nein sagen zu können, falls abseitige Themenwünsche aufkeimen.
  • Umfassend in das Thema einarbeiten. Das bedeutet, die wesentlichen Zahlen und Fakten zu kennen. PR-Verantwortliche sollten auf Fragen fundierte Antworten parat haben. Die Bereitstellung von ungenauen oder nicht belegten Informationen könne dazu führen, dass Anfragen von Journalisten keine Beachtung mehr finden, warnt Cision. Für potenzielle Themen, die sie nicht aktiv spielen wollen, bereiten PR-Profis Sprachregelungen vor. Das erspart ihnen hektische Abstimmungen im eigenen Haus, wenn die Nachfrage kommt.
  • Rundum-Sorglos-Pakete schnüren. „Du weißt doch: Wir brauchen komplett konfektionierte Pakete.“ So hat es mir in meiner Zeit als Pressesprecher einmal ein Journalist ins Pflichtenheft geschrieben. Der StoM-Report erklärt, warum: „Schrumpfende Redaktionen führen dazu, dass Journalisten mit mehreren Themen jonglieren und dabei ein hohes Arbeitspensum und dringende Deadlines einhalten müssen. Fast die Hälfte von ihnen (45%) decken fünf oder mehr Themengebiete ab, und die gleiche Anzahl arbeitet an sieben oder mehr Beiträgen pro Woche; 33% geben an, zehn oder mehr zu bearbeiten. Journalisten haben somit nur wenig bis keine Zeit, Geschichten zu recherchieren. Wenn Sie ihnen also alle Informationen, die sie benötigen, im Voraus zur Verfügung stellen (aufschlussreiche Daten, relevante Zitate, begleitende Bilder), nehmen Sie ihnen die Last ab, diese wichtigen Details zu recherchieren, und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sie über die Geschichte berichten (während Sie sich gleichzeitig bei ihnen beliebt machen).“
  • Diese Pakete individuell zuschneiden. Das setzt voraus, über Bedürfnisse der Empfänger in den Redaktionen Bescheid zu wissen. Statt pauschal das volle Brett an den gesamten Presseverteiler rauszuhauen, ist es besser, die Informationen und ergänzenden Elemente wohl gesetzt an gut strukturierte Verteilerlisten auszusenden. Im SotM-Report äußern Journalisten zudem, was PR-Profis tun können, um ihnen zu helfen: Etwa zwei Drittel wünschen sich, dass Daten- und Expertenquellen bereitstehen, wenn sie es wünschen. Fast genauso viele möchten, dass PR-Profis ihre Zielgruppe kennen. Und nahezu die Hälfte erwartet, dass sie „aufhören, mich zu spammen“.
  • Das richtige Timing wählen #1. Im Angesicht der Schrecken des Ukraine-Kriegs sollten sich Verantwortliche in der Kommunikation mehr denn je die Frage stellen, ob ihre Nachricht überhaupt in die Zeit passt. „Ich finde es unethisch, den Krieg für clevere Markenstrategien auszuschlachten“, so die Kommunikationsexpertin Kathrin Behrens im Unternehmer-Magazin Impulse. Sie berät seit mehr als 20 Jahren Unternehmen zu PR- und Krisenstrategien. „Wir brauchen derzeit Unternehmen, die mitdenken, aktiv werden, konkrete Hilfe leisten. Manchmal ist es sogar stilvoller, auf die Kommunikation nach außen zu verzichten.“ Heißt: Das pauschale Motto „Tue Gutes, und rede darüber“ ist schnell überstrapaziert.
  • Das richtige Timing wählen #2. Die Chancen guter Ideen in den Redaktionen sinken im Wochenverlauf. „Entgegen vielen Vorstellungen lieben Journalisten den Montag – zumindest wenn es darum geht, Themenvorschläge zu erhalten“, weiß Cision. „Die Mehrheit (60%) bevorzugt es, Anfragen am Montag zu erhalten, während der Dienstag immerhin noch für 43% ebenfalls ein guter Tag ist.“ Das beste Timing ist aber akut in Gefahr, wenn PR-Profis zu nerven beginnen. Etwa wenn sie gleich nach dem Versand der Pressemitteilung nachfassen, womöglich auch noch in der Hauptproduktionszeit. Fast jeder dritte Journalist wünscht sich, dass PR-Leute überhaupt nicht nachhaken. Etwa ebenso viele Journalisten akzeptieren es aber immerhin, wenn sich PR-Profis nach zwei bis drei Tagen melden. Die beste Tageszeit liegt dabei zwischen 10:00 und 12:00 Uhr.
  • Und nicht zuletzt verlässlich sein. Das bedeutet im konkreten Fall, nicht gleich in den Feierabend-Modus zu wechseln, nachdem die Pressemitteilung raus ist. Sondern anschließend auch per Handy erreichbar zu sein. Wenn Journalisten vertiefende Nachfragen oder den Wunsch nach einem persönlich geführten Interview haben, dann hat sich die intensive Vorbereitung gelohnt.

Verlässlichkeit ist eine lohnende Investition – für beide Seiten

Verlässlichkeit bedeutet aber mehr als bloße Erreichbarkeit. Sie ist immer auch eine lohnende Investition in ein professionelles Verhältnis von PR-Fachleuten und Journalisten. Letztere sind angesichts des hohen Drucks, der in ihrem Berufsstand herrscht, zunehmend auf die Glaubwürdigkeit ihrer Kontakte in den Kommunikationsabteilungen angewiesen. Sie sind in Zeiten von Fake News mehr denn je auf der Suche nach faktenbasierten Geschichten aus seriösen Quellen. Und sie wissen es wirklich zu schätzen, wenn Themenvorschläge journalistische Substanz haben und sich eben nicht als reine Werbebotschaften entpuppen.

Umgekehrt legen PR-Profis Wert auf einen fairen Umgang. Auch für sie ist die Seriosität der journalistischen Anfragen wichtig. Wer sich erfahrungsgemäß an Vereinbarungen hält, dem treten sie offener gegenüber. Fühlen sie sich jedoch zum Beispiel nach einem persönlichen Gespräch falsch zitiert, werden sie die nächste Anfrage eher per E-Mail bearbeiten.

Von Verlässlichkeit profitieren also beide Seiten, PR und Presse. Daraus entsteht Vertrauen, das Klischees überwinden kann. Zum Beispiel die platte Einschätzung, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten seien. Denn auch das hat der „State of the Media Report“ ergeben: Ebenso wie die Öffentlichkeit sehnen sich Journalistinnen und Journalisten nach positiven Geschichten.