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Unternehmen machen gesellschaftliche Verantwortung zur Chefsache

Ein internationales Team legt die Hände aufeinander und zeigt damit seine Solidarität.

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Unter dem Eindruck der globalen Krisen machen Unternehmen ihre Verantwortung für die Gesellschaft zunehmend zur Chefsache: In den 50 größten deutschen Konzernen hat das Thema Corporate Social Responsibility (CSR) die Management-Ebene erreicht. Das ist das Ergebnis des jüngsten „CSR Benchmark“ der Kölner Beratungsagentur NetFederation. Für ihre jährliche Studie hat die Agentur die Auftritte der Unternehmen im Internet untersucht. In den Blick nahm sie dabei vor allem die Kommunikation rund um die Themen Nachhaltigkeit, Diversität und Digitalisierung.

Die Untersuchung zeigt, wie sensibel Unternehmen mittlerweile auf gesellschaftliche Debatten reagieren. „Wir können jetzt sehen, dass die Ereignisse der letzten zwei, drei Jahre, enorme Auswirkungen auf die Kommunikation und das Handeln der großen Konzerne in Deutschland haben. Nachhaltigkeit und soziales Engagement ist als Thema in den Chefetagen angekommen und damit auch zentrales Element der gesamten Unternehmenskommunikation geworden“, sagt Christian Berens, Geschäftsführer bei NetFederation.

Bei den Konzernen herrscht ein „regelrechter Nachhaltigkeits-Boom“

„Die Geschwindigkeit, mit der sich Corporate Social Responsibility von einem kleinen Nischenthema zum zentralen Gegenstand in der Unternehmenskommunikation entwickelt hat, ist besonders für Großkonzerne beachtlich“, heißt es in der Zusammenfassung der Ergebnisse. „Unternehmen haben erkannt, wie elementar und einflussreich der Wettbewerbsfaktor Nachhaltigkeit geworden ist. Und nicht nur das: Sie müssen liefern, inhaltlich wie kommunikativ, um glaubwürdig zu bleiben, den Anschluss an die Mitbewerber zu halten und zukunftsfähig zu sein. So ist CSR bei den meisten Unternehmen inzwischen fester Teil der Unternehmensphilosophie und eines der wichtigsten Management-Themen geworden.“ NetFederation spricht von einem „regelrechten Nachhaltigkeits-Boom“.

Kein Wunder: Der Erwartungsdruck auf Konzerne könne momentan nicht höher sein, so die Studie. Nach Pandemie und Digitalisierungsschub fordere der Krieg in der Ukraine erneut von den Kommunikationsabteilungen, Haltung zu gesellschaftsrelevanten Themen zu zeigen. So haben sich viele Unternehmen aus Geschäften in und mit Russland zurückgezogen. Im Fokus stünden die CSR-Abteilungen, die verantwortungsvolles Handeln vorantreiben und gleichzeitig transparent kommunizieren müssen.

Fast alle Firmen greifen das Thema Diversität auf

Besonders große Sprünge haben die untersuchten Unternehmen demnach bei der Kommunikation zum Thema Vielfalt gemacht: 94 Prozent greifen grundsätzlich das Thema Diversität auf ihren CSR-Seiten im Internet auf. Fast zwei Drittel (64%) sprechen Rassismus an, und 70 Prozent Inklusion. Hier zeigen sich die Auswirkungen aktueller gesellschaftlicher Debatten.

„Die CSR-Kommunikation in den Konzernen wird immer umfassender und detailreicher. Vor drei Jahren waren Aussagen rund um Rassismus, Inklusion und soziales oder ökologisches Engagement eher eine Seltenheit“, sagt Berens. „Heute – nach gesellschaftlichen Entwicklungen wie Fridays-for-Future-Demonstrationen, zwei Pandemie-Jahren, der Black-Lives-Matter-Bewegung, einem nie gesehenen Digitalisierungsschub und letztendlich dem Kriegsausbruch in der Ukraine – beziehen Unternehmen deutlich klarer Stellung. Das ist eine starke Entwicklung, die zeigt, dass sie sich ihrer gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung bewusst sind und auch der Wille zur Veränderung da ist.“

Unternehmen legen sich bei Berichten zur Nachhaltigkeit ins Zeug

Jemand nimmt einen Baum in die Arme.
Es herrscht ein „regelrechter Nachhaltigkeits-Boom“: Unternehmen berichten im Zuge ihrer Corporate Social Responsibility (CSR) immer umfassender über ihr soziales Engagement, ihre ökologischen Kennzahlen und ihre Nachhaltigkeitsziele.

Die Entwicklung spiegelt sich außerdem in der Berichterstattung der Unternehmen über ihre CSR-Aktivitäten wider: Acht von zehn (84%) der untersuchten Unternehmen veröffentlichen einen Nachhaltigkeitsbericht. Dabei begnügen sich die Konzerne offenbar nicht damit, ihrer gesetzlichen CSR-Berichtspflicht nachzukommen. „Ganz abgesehen von gesetzlichen Anforderungen und dem verpflichtenden Reporting legen sich die Kommunikationsabteilungen immer mehr ins Zeug: Nachhaltigkeit wird zusehends erlebbar“, heißt es dazu. „Das Publikum wird in die vielfältigen Themenfelder von Corporate Social Responsibility mitgenommen und immer umfassender zum sozialen Engagement, ökologischen Kennzahlen und den Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens informiert.“

So haben die Verantwortlichen auch Zeit und Arbeit in die Darstellung der Kennzahlen zum eigenen Engagement, zu Mitarbeitenden oder zu den Lieferketten gesteckt. „Eine zahlengestützte nutzerfreundliche Darlegung des eigenen Engagements verleiht einem Unternehmen Glaubwürdigkeit. Gerade in diesen unsicheren Zeiten ist es wichtig, sich seinen Stakeholdern als vertrauenswürdig zu erweisen. Wer hier mit Transparenz agiert, gewinnt“, sagt der Kölner Experte Berens.

CSR-Berichtspflicht betrifft schon bald viel mehr Betriebe

Das Thema CSR wird künftig noch einmal kräftig an Fahrt gewinnen. Denn die EU arbeitet daran, die Berichtspflicht auf deutlich mehr Unternehmen auszuweiten. Diese Berichtspflicht gilt in Deutschland bereits seit dem Jahr 2017. Sie betrifft bislang alle kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungen mit mehr als 500 Mitarbeitenden. In Zukunft sollen auch Betriebe ab 250 Mitarbeitende unter die Berichtspflicht fallen. Damit wächst der Kreis der betroffenen Unternehmen erheblich: Schätzungen gehen davon aus, dass künftig EU-weit fast 50.000 Unternehmen dieser Berichtspflicht unterliegen. Derzeit sind es knapp 12.000. „Bislang waren in Deutschland rund 500 Unternehmen berichtspflichtig. Nach den neuen Regelungen werden es mindestens zehnmal so viele sein“, schätzt Hendrik Fink, Experte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Für die Firmen tickt die Uhr: Schon in den Lageberichten zum Geschäftsjahr 2023 sollen Unternehmen in viel größerem Umfang als bisher Stellung zu Nachhaltigkeitsthemen beziehen.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY spricht von einer „Zeitenwende“ für viele Unternehmen. Aus Sicht der Beratung liegen darin aber auch Chancen: „Viele Anspruchsgruppen erwarten ohnehin eine belastbarere Kommunikation zu Nachhaltigkeitsthemen als bisher. Wenn dann Transparenz und Reputation steigen, erfüllt die neue Berichterstattung nicht nur gesetzliche Vorschriften, sondern ist auch ein aktives Argument in vielen anderen Bereichen – vom Arbeitgebermarketing über die Finanzkommunikation bis hin zum Umgang mit den Menschen im lokalen Umfeld vor Ort.“

REWE rangiert vor der Deutschen Telekom und Mercedes-Benz

Die REWE Group bezeichnet nachhaltiges Handeln bereits als einen wesentlichen Teil ihrer Geschäftsstrategie. Der Kölner Handels- und Touristikkonzern hat laut der jüngsten NetFederation-Untersuchung die überzeugendste CSR-Kommunikation, dicht gefolgt von der Deutschen Telekom und der Mercedes-Benz Group. Die Corona-Pandemie hat die Entwicklung noch einmal befeuert. So sah sich REWE, die im Vorjahr noch auf Platz 9 der Rangliste stand, durch die Auswirkungen von Corona „extrem gefordert“. Berichterstattungen über Regallücken bei Toilettenpapier, Nudeln oder Mehl hätten viele Menschen verunsichert. In der Kommunikation sei es vor allem darum gegangen zu erklären, dass die Versorgung der Menschen in Deutschland mit Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs zu jeder Zeit gesichert war.

Gleichzeitig sei die Nachfrage nach nachhaltigeren Produkten enorm gewachsen. Gesunde und ausgewogene Ernährung mit Bio- und Regional-Produkten sowie mit Lebensmitteln, deren Herkunft und Verarbeitung transparent als nachhaltiger zu erkennen sind, habe bei vielen Menschen an Bedeutung gewonnen. Die Pandemie habe das Bedürfnis der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Nachhaltigkeit und die Orientierung zu sinnhaftem Konsum weiter verstärkt.

Digitalisierung wirft neue Fragen unternehmerischer Verantwortung auf

Lockdown und Abstandsregeln im Zuge der Pandemie haben der lahmenden Digitalisierung in Deutschland einen kräftigen Anstoß gegeben. Dadurch entstehen indes neue Fragen unternehmerischer Verantwortung. Laut NetFederation-Chef Berens werden sie eine wachsende Rolle spielen: Corporate Digital Responsibility (CDR) werde „weiter an Bedeutung gewinnen. Entscheidend ist dann, welche Verantwortung Unternehmen auch im digitalen Raum übernehmen. Momentan wird noch sehr wenig zu den eigenen Richtlinien, Einsatz von neuen Technologien und möglichen Gefahren kommuniziert. Dabei sind insbesondere digitale Ethik und eine klare Positionierung zu diesen Themen unverzichtbar für die digitale Transformation.“

Ganz gleich, ob sie ihrer Verantwortung unter dem Kürzel CSR oder CDR gerecht werden: Für immer mehr Unternehmen kommt es künftig noch viel stärker darauf an, über ihr Engagement für Mensch und Umwelt professionell und intelligent zu kommunizieren.